Kampf gegen Rassismus und alle anderen Formen von Diskriminierung. Förderung von Fairness und Respekt. Schutz der Menschenrechte und Kinderschutz. Für diese Werte setzt sich der internationale Fußballverband FIFA unter der Überschrift „Werte des Fußballs“ ein. Die beste Möglichkeit diese Werte hochzuhalten, bieten die von der FIFA ausgerichteten Weltmeisterschaften. Das Turnier der Männer ist eines der größten Sportereignisse der Welt und zieht Millionen von Fußballfans an. Gerade auf dieser Bühne könnte die FIFA zeigen, wie sie sich konkret gegen Diskriminierung und für den Schutz der Menschenrechte engagiert. Dass Absichtserklärung und Realität immer wieder weit auseinanderklaffen, zeigte jedoch die Vergabe des jüngsten Turniers an Katar.
Das Emirat am Persischen Golf hat von Anfang an für Diskussionen gesorgt. Katar wird aufgrund seiner Menschenrechtslage, insbesondere der Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter*innen kritisiert. Es wurden Berichte über Missbrauch, Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Stadien und die Infrastruktur des Turniers veröffentlicht. (Die britische Zeitung Guardian berichtete ausführlich.)
Wer hat Angst vor bunten Farben?
Aber auch während des Turniers kam es zu einem Eklat. In Katar steht gelebte Homosexualität bis heute unter Strafe. Spieler verschiedener Mannschaften wollten daher mit einer bunten Armbinde und dem Motto „One Love“ ein Zeichen für Toleranz und Respekt setzen. Dies wurde durch die FIFA unter Androhung von Platzverweisen verboten. Sieht so der Kampf gegen Rassismus und alle anderen Formen von Diskriminierung aus?
Die Liste an Kontroversen rund um das Turnier könnte an dieser Stelle beliebig lang weitergeführt werden. Dahinter steht vor allem eine Frage: Wie sollen Bürger, Zuschauer und Fans westlicher Staaten damit umgehen, wenn Sportereignisse in autoritären Staaten stattfinden, die nicht die gleichen Werte teilen? Man denke nur an das Thema Menschenrechte, abgeleitet aus der UN-Menschenrechtscharta, oder anerkannte Arbeitsrechte, festgehalten in den ILO-Kernarbeitsnormen.
Sollten nur freie, demokratische Länder an Weltmeisterschaften teilhaben dürfen? Boykottieren wir Sportereignisse in unfreien Staaten? Setzen wir uns für die Veränderung der Umstände vor Ort ein und riskieren als Neokolonialisten wahrgenommen zu werden? Oder setzten wir uns, wie bei jeder anderen Weltmeisterschaft, vor den Fernseher und genießen das Spektakel? Wohl wissend, dass der Bau von Stadien viele Menschenleben gekostet hat und offen queere Menschen im Land strafrechtlich verfolgt werden?
Klar ist sicherlich auch, dass es die klare Trennung von hier und dort so längst nicht mehr gibt. Auch in Deutschland teilen nicht alle Menschen die oben genannten Werte, auch wenn sie in der deutschen Verfassung verankert sind.
Einfluss als Investor wahrnehmen
Noch komplizierter wird die Frage mit Blick auf die Sponsoren von solchen Großereignissen. Die FIFA-Partner für die WM in Katar waren der Softdrink-Gigant Coca-Cola, der Zahlungsdienstleister Visa, die Autohersteller Hyundai und Kia, das Tourismusunternehmen Wanda, die Fluggesellschaft Qatar Airways und der Sportartikelhersteller Adidas. Als letzter europäischer FIFA-Partner begleitet Adidas Fußball-Weltmeisterschaften seit 1970. Auch in den Steyler Fair Invest-Fonds ist der Konzern vertreten.
Adidas war nicht direkt an der Entscheidung beteiligt, wer die WM austrägt. Doch es war die freie Entscheidung des Unternehmens, 2013 die Kooperation mit der FIFA zu verlängern. Katar stand da bereits als künftiger Gastgeber fest. Wie wichtig die Sponsoren für die FIFA sind, verdeutlicht folgendes Zitat von FIFA-Marketingdirektor Thierry Weil: „Ohne die Unterstützung von langfristigen Partnern wie Adidas wäre es für die FIFA nicht möglich, globale Sportveranstaltungen wie die FIFA-Fußballweltmeisterschaft zu realisieren und den Fußball weltweit voranzubringen.“
Daher sehen wir auch bei Sponsoren eine große Verantwortung und stellten der Firmenleitung von Adidas folgende Frage: Wie kann ein Unternehmen, das von der Nachhaltigkeitsratingagentur ISS ESG zu einem der drei nachhaltigsten Textilhersteller am Aktienmarkt gezählt wird und sich auf vielfältige Weise für Arbeitsrechte, Menschenrechte und Diversität einsetzt, ein Sportturnier in einem Land wie Katar mitfinanzieren?
Das Unternehmen bezieht Stellung
Eine ausführliche Antwort erhielten wir per Mail, verbunden mit dem Angebot, die Themen direkt mit einer Unternehmensvertreterin zu besprechen. Adidas machte sich die Beantwortung der Frage nicht leicht. Wir gewannen den Eindruck, dass es im Unternehmen ein großes Bewusstsein für die Problematik gibt. Bereits 2017 hatte Adidas die Kontroversen rund um das Turnier auf verschiedenen Wegen adressiert: So wurde in Gesprächen mit der Regierung Katars eine Anpassung der Menschen- und Arbeitsrechte gefordert. Insbesondere das problematische Kafala-System, welches den Nährboden für die Ausbeutung von ausländischen Arbeitern bietet, und die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen wurden thematisiert. Darüber hinaus brachte sich Adidas im durch die FIFA geförderten Menschenrechtsbeirat (Human Rights Advisory Board) zur Lage in Katar ein. Durch diese Gremienarbeit konnten laut Adidas Erfolge erzielt werden: So wurde im Land eine Niederlassung der International Labour Organisation (ILO) aufgebaut. Auch ein Mindestlohn für Arbeiter*innen ohne katarische Staatsangehörigkeit wurde eingeführt und ein Beschwerdemechanismus für Arbeiter*innen in Katar installiert.
Auch nach der WM setzt Adidas sein Engagement in abgeschwächter Form in Katar fort. Noch in diesem Jahr arbeitet Building and Woodworkers International gemeinsam mit Adidas daran, eine Beschwerdestelle für Arbeitnehmer*innen aufzubauen, die von einer Gewerkschaft geführt wird. Auch abseits des Landes Katar verschärft Adidas scheinbar seine Ansprüche an zukünftiges Sponsoring. So sollen in der Sponsoring-Richtlinie des Unternehmens, die leider nicht öffentlich ist, weitere Kriterien zu den Themen Menschen- und Arbeitsrechte aufgenommen worden sein.
Es bleiben Fragen offen
Grundsätzlich argumentiert Adidas, dass sie das verbindende Element des Sportes durch ihr Sponsoring fördern wollen. Sollten dadurch Kontroversen entstehen, versucht Adidas diese wie oben beschrieben anzugehen.
Unseren Dialog mit Adidas betrachten wir insgesamt als sehr positiv. Wir konnten uns davon überzeugen, dass Adidas sein Engagement ernstnimmt und durch konkrete Aktivitäten versucht, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich verändert unser Dialog mit Adidas weder die Lage in Katar noch kann dadurch geschehenes Unrecht rückgängig gemacht werden. Dennoch halten wir Adidas nach dem Dialog weiterhin für ein integres Unternehmen, dass sich auch abseits der eigenen Lieferkette für Menschen- und Arbeitsrechte stark macht. Auch die Bereitschaft, Investoren zu schwierigen Themen Rede und Antwort zu stehen, erkennen wir an.
Deswegen werden wir weiterhin in Adidas investiert bleiben. Allerdings bleibt das Unternehmen auf unserer Beobachtungsliste. Wir werden also die weitere Entwicklung im Umgang mit solch strittigen Themen abwarten und, wenn nötig, Konsequenzen ziehen. Nicht unter den Tisch fallen soll, dass ein Punkt, trotz Nachhakens, nicht beantwortet wurde. Dabei ging es um eine zentrale Frage: Führt ein großes Sportereignis wie die FIFA-Weltmeisterschaft der Männer wirklich dazu, dass sich ein autoritärer Staat wie Katar wandelt? Oder legitimieren prestigeträchtige Events nicht eher autokratische Strukturen? Bisher ist uns kein Fall bekannt, in dem eine Autokratie langfristig durch ein großes Sportereignis liberaler oder gar demokratischer geworden wäre.
Dass Turniere ohne größere Kontroversen möglich sind, zeigt Adidas in diesem Sommer gemeinsam mit der FIFA. Dann startet in Neuseeland und Australien die WM der Frauen und bietet hoffentlich spannende und unbeschwerte Spiele.
Jan Merbecks, Abteilung Ethics & Sustainability