Henkel & Co: Nur nachhaltiger Glanz oder auch Substanz?

Bei Aktionärsversammlungen spielen Themen der Nachhaltigkeit meist eine untergeordnete Rolle. Unsere Responsible Finance Academy ändert das. Zum zweiten Mal ermöglichte die Steyler Ethik Bank Studierenden der Alanus Hochschule, auf ausgesuchten Hauptversammlungen Redebeiträge zu halten. Dort lenkten sie den Fokus auf Umwelt- und Sozialthemen. Zugleich brachten sie eine frische, junge Perspektive ein, was im formellen und mitunter steifen Umfeld von Aktionärstreffen selten vorkommt. Beim Abschluss-Seminar in der Hochschule berichteten die Teams von ihren Erfahrungen.

Wie sehr bemühen sich Unternehmen um Nachhaltigkeit? (Symbolbild)

Wie sehr bemühen sich Unternehmen um Nachhaltigkeit? (Symbolbild)

Wer die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen liest, bekommt ein gutes Gefühl. Vieles zum Schutz von Umwelt und Klima ist auf dem richtigen Weg, so der Eindruck. Auch Annabell Maitzen und ihre zwei Kommilitoninnen waren zunächst sehr angetan, als sie sich auf die Jahreshauptversammlung der Firma Henkel vorbereiteten. „Der erste Eindruck ist super, doch wenn man genauer hinschaut, ergeben sich viele Fragen.“ 

Genau hinschauen, das ist der Anspruch der Responsible Finance Academy. Als gemeinsames Projekt der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter und der Steyler Ethik Bank findet die Akademie im Rahmen des Seminars zu Social Banking statt. Geleitet wird dies von Prof. Dr. Gregor Krämer, Prodekan des Fachbereichs Wirtschaft. 

Beim diesjährigen Durchgang arbeiteten sich zwei Teams mit fünf Studierenden in die Nachhaltigkeitsberichte der Aktiengesellschaften Henkel und Vossloh ein. Dabei wuchsen sie in die Rolle von nachhaltig-orientierten InvestorInnen hinein. Sie sollten also die Unternehmen nicht nach Renditegesichtspunkten bewerten, sondern danach, wie diese ihrer Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft nachkommen.

Zu den Inhalten des Seminars zählte eine allgemeine Einführung in Wertpapieranlagen durch Emanuel Gmach, einen erfahrenen Bankberater der Steyler Ethik Bank. Für die Einführung in Nachhaltigkeitsaspekte war die bankinterne Abteilung Ethik und Nachhaltigkeit zuständig. Projektleiterin Thekla Swart erklärte den Studierenden unter anderem, wie sie die ESG-Kennzahlen von Firmen richtig interpretieren. ESG ist die englische Abkürzung für die Aspekte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. 

Die Aktionärsversammlung als Höhepunkt

Höhepunkt des Seminars war die Teilnahme an einer Jahreshauptversammlung inklusive Redebeitrag. Nach wochenlanger Vorbereitung waren Annabell Maitzen, Mathilda Liebeskind und Katharina Merz extra früh am Ort der Aktionärsversammlung von Henkel. Direkt zu Beginn meldeten sie den gemeinsam erarbeiteten Redebeitrag an. Und wie im Vorjahr, erregte das Erscheinen von jungen AktionärInnen sofort Aufsehen. „Es kam dann direkt ein Mitarbeiter von Investor Relations zu uns“, berichtet Annabell Maitzen. Offensichtlich war man sehr interessiert daran, welche Intention die drei nach Düsseldorf geführt hatte.  „Aber wir haben nichts verraten. Und dann begann erst einmal das lange Warten.“ Denn die Reihenfolge der Redebeiträge wurde von Henkel festgelegt, und die drei Studierenden waren erst fast zum Schluss an der Reihe.

Für den Beitrag hatte das Team die Nachhaltigkeitsberichte des Konsumgüterherstellers intensiv gelesen und fragte kritisch nach. Als sie endlich an der Reihe waren, wandte sich Katharina Merz mit zahlreichen detaillierten Fragen direkt an den Vorstand. Eine davon: „Wenn es möglich ist, Verpackungen vollständig aus recyceltem Material herzustellen, warum setzt Henkel dieses Potenzial bislang nur teilweise um?“

Einzelne fühlen sich provoziert

„Wir haben vor dem Beitrag extra die Rollen verteilt. Ich zum Beispiel habe besonders die Reaktion von Vorstand und Aufsichtsrat beobachtet“, erzählt Annabell Maitzen. Und das war durchaus interessant. Als Katharina Merz sprach, „kam noch mal richtig Energie in den Vorstand“, so ihr Eindruck. Schließlich stach die junge Rednerin heraus und passte nicht ins typische Bild von AktionärInnen, die einen Redebeitrag anmelden. Einzelne Personen fühlten sich sogar provoziert. Ein älterer Herr aus dem Publikum störte die Passage zur Geschlechtergleichstellung mit einem Zwischenruf. Auf ein lautes „Nein“ folgte eine längere Tirade, die allerdings unverständlich blieb.

Nachdem alle Fragen gestellt waren, dauerte es lange, bis der Vorstand antwortete. Offensichtlich wurden die Antworten von Mitarbeitern vorbereitet und aufs Podium gereicht. Was dabei herauskam, enttäuschte die Studierenden. „Bei seiner Antwort hat der Vorstand voll den Faden verloren“, erzählt Mathilda. Generell fand sie die Auskünfte nicht so aussagekräftig. „Dagegen wurden andere Fragen, etwa zur Dividende, sofort und detailliert beantwortet“.

Auf der nachhaltigen Schiene

Auch das zweite Team berichtet von Licht und Schatten. Pia Zscherlich und Christof Simon hatten das Bahntechnik-Unternehmen Vossloh unter die Lupe genommen. Wie es sich für einen der Marktführer im Schienenbau gehört, fand die Versammlung in einem umgebauten Lokschuppen statt. Die beiden Studierenden hatten sich unter anderem mit dem Frauenanteil in Führungspositionen auseinandergesetzt und stellten fest: Dieser ist zwar in absoluten Zahlen recht klein. Wahr ist aber auch: In der von Männern dominierten Branche ist das nicht verwunderlich und der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist höher als der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft.

Als Pia Zscherlich für ihren Beitrag an das Rednerpult trat, zitterte anfangs die Stimme ein wenig. „Das Rednerpult war tiefer als die Bühne des Vorstandes, irgendwie hierarchisch“. Doch im Laufe ihres Vortrages gewann sie immer mehr Sicherheit. Allerdings gab es auch bei Vossloh wenig befriedigende und vor allem kaum detaillierte Antworten. Man werde sich aber noch mal melden, verspricht ein Pressesprecher im Anschluss. „Nach über einem Monat haben wir diese Antworten aber noch nicht bekommen“, verrät Christof Simon.

Ansonsten bleibt der Eindruck hängen: Die Auseinandersetzung um Nachhaltigkeit findet nur ganz am Rande statt. Stattdessen streitet man sich bei Vossloh überwiegend um Personalien und andere Sachfragen. 

Viel Selbstbewusstsein gewonnen

Dennoch ist die Teilnahme an der Responsible Finance Academy für die Studierenden prägend. Alle sind überzeugt, viel gelernt zu haben. Die TeilnehmerInnen sind sehr froh über das Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird. Gerade die beiden Redner haben viel investiert und viel Selbstvertrauen gewonnen. 

In einer Welt, deren Klima sich immer weiter aufheizt, ist ökologisches Wirtschaften eine Notwendigkeit. Doch der Weg dahin ist weit. Thekla Swart hat die Beobachtung gemacht, dass Fragen der Nachhaltigkeit bei den Abstimmungen auf Hauptversammlungen im Allgemeinen gar nicht auftauchen. Umso wichtiger ist es, am Ball zu bleiben. Die Verantwortlichen der großen Unternehmen müssen immer wieder an ihre Verantwortung erinnert werden. Die Responsible Finance Academy ist hierbei einer von vielen kleinen Impulsen, die auf die Dauer ihre Wirkung entfalten werden. Davon sind wir überzeugt. 

Es braucht einen langen Atem 

Auch wenn die Antworten bei den Hauptversammlungen wenig ergiebig waren, heißt das nicht, dass der Einsatz der Studierenden vergebens war. Die Nachhaltigkeitsexperten der Bank wissen, dass aktives Aktionärstum immer einen langen Atem braucht. Mit dem einmaligen Redebeitrag und ein paar klugen Fragen ist es daher nicht getan. Erst wenige Wochen vor dem Abschluss-Seminar hat Thekla Swart daher mit einer Teilnehmerin aus dem Vorjahr einen Brief an TAG Immobilien geschickt. So setzten sie gemeinsam den 2024 begonnen Dialog fort. Wenn Unternehmen sehen, dass das Interesse an Themen dauerhaft bleibt, kann das auf lange Sicht einiges bewirken. Das hat die Erfahrung gezeigt.

Aber auch bei Henkel bleibt man am Ball. Ein Mitarbeiter der Nachhaltigkeitsabteilung von Henkel nahm sich einige Wochen nach der Hauptversammlung sogar die Zeit für ein weiteres Gespräch mit den Studierenden und der Projektleiterin Thekla Swart. Und dieses Mal gab es sehr ausführliche Antworten auf die bei der Hauptversammlung gestellten Fragen. Dabei wurde deutlich, welche Herausforderungen sich für ein internationales Unternehmen bei Verpackungen aus recyceltem Material stellen. Der Mitarbeiter sprach offen über Hürden, an denen man in der Vergangenheit scheiterte, und welche Pläne Henkel für die unmittelbare Zukunft verfolgt. Ein schönes Beispiel für einen gelungenen Unternehmensdialog, an dem das Unternehmen Henkel einen großen Anteil hat. 

Eindrücke aus dem Ascbhluss-Seminar