Indem sie Sonnenlicht in Energie umwandeln, lassen Solaranlagen den Traum von sauberer Energie zum Greifen nah erscheinen. Doch ganz so einfach ist es natürlich nicht, schließlich darf man die Rechnung nicht ohne den Volkswirt machen. Auch die Produktion der Anlagen benötigt nämlich Energie, ganz zu schweigen von den Rohstoffen, deren Abbau wiederum einen ökologischen Fußabdruck erzeugt. Wie nachhaltig ist Photovoltaik (PV) also wirklich?
Analog zum technischen Aufbau einer Solaranlage oder eines Solarparks nähern wir uns der Antwort Stück für Stück:
1) Die Module
Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelte Albert Einstein eine quantenmechanische Erklärung des sogenannten Fotoeffektes und erhielt dafür 1921 den Nobelpreis. Zunächst wurde die Technologie in der Weltraumfahrt eingesetzt, bevor ab Anfang der 90er-Jahre die ersten privaten Photovoltaikanlagen in Deutschland entstanden. Seither hat sich die Technologie – mit Höhen und Tiefen – explosionsartig entwickelt. Deutschland war noch vor einem Jahrzehnt Marktführer in diesem Segment. Doch längst hat sich die Produktion in großen Teilen verlagert, primär nach China.
Die weltweit installierte Kapazität wurde per Ende 2020 auf rund 800 Gigawatt (Spitzenleistung) geschätzt. Um zu illustrieren, was man sich darunter vorstellen darf: Sämtliche Anlagen zusammen produzieren– konservativ geschätzt – anderthalbmal so viel Strom wie in Deutschland verbraucht wird. Schaut man nur auf die bei uns im Land installierten Photovoltaikanlagen, dann haben diese eine Gesamtleistung von 60 Milliarden Kilowatt Spitzenleistung (Gigawatt/peak). Das entspricht rund 10 Prozent des heimischen Bedarfs.
Verzicht auf giftige Materialien
Die Produktion von Photovoltaikmodulen hat mehrere Evolutionsstufen durchlaufen. Derzeitiger Stand der Technik sind Module auf Siliziumbasis mit einem Aluminiumrahmen. Weiter unterschieden werden kann zwischen mono- und polykristallinem Silizium. Nicht mehr Stand der Technik sind sogenannte Dünnschichtmodule. Bei diesen kamen giftige Stoffe wie Cadmium und Tellur zum Einsatz, die bei der Entsorgung besonderen Aufwand erfordern.
Mittlerweile häufiger verbaut werden Glas-Glas-Module ohne Aluminiumrahmen, am Horizont tauchen sogenannte Tandem-Solarzellen mit höherem Wirkungsgrad auf. Gegenstand intensiver Forschung sind außerdem flexible PV-Folien, z.B. zum Einsatz an Hausfassaden.
Die weiteren Ausführungen konzentrieren sich auf den derzeitigen Aluminium-Glas-Standard. Bei diesen spielt der Energieaufwand für die Erzeugung der Siliziumwafer die Hauptrolle. Nach dem Zusammenbruch der deutschen PV-Herstellung ab 2012 werden die meisten Solarmodule in China erzeugt; die europäische Fertigung befindet sich derzeit wieder im Aufbau.
Ökologische Kosten-Nutzen-Rechnung
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass eine erzeugte Kilowattstunde PV-Strom einen CO2-Rucksack zwischen 20 und 40 Gramm trägt. Der tatsächliche Wert hängt davon ab, welcher Energiemix (z.B. Anteil Kohlestrom) am Produktionsort genutzt wird.
Interessant ist zudem, wie lange eine Technologie braucht, um die CO2-Last ihres Herstellungsprozesses wieder einzuspielen. Man nennt dies die energetische Amortisationszeit. Bei PV-Anlagen liegt diese Periode bei ca. 1,5 Jahren. Für diese Berechnung spielt dann auch der Installationsort eine wichtige Rolle. Je länger dort die Sonne scheint, umso mehr Strom kann die Anlage erzeugen.
Zum Vergleich: In Kohlekraftwerken liegt der Vergleichswert bei rund 1000 g, bei Gaskraftwerken mindestens bei 400 g, wobei die Methanemissionen bei Förderung und Transport der Brennstoffe nicht einmal berücksichtigt sind. Zwischenzeitlich wird daher diskutiert, ob Steinkohle im Vergleich zu Fracking-Gas wirklich eine schlechtere Umweltbilanz hat.
Die Haltbarkeit ist kein Problem
Wie nachhaltig ist aber nun Photovoltaik? Darüber entscheidet auch die Nutzungsdauer. Die mittlerweile vorliegenden langfristigen Messdaten zur Modulalterung, Degradation genannt, stimmen optimistisch: Nach 20 Jahren liegt der Wirkungsgrad kristalliner Zellen noch bei rund 80 Prozent, eine weitere Nutzung ist also problemlos möglich.
Aus der Perspektive des Nutzers unerheblich, aber im Gesamtkontext relevant, sind darüber hinaus die bei der Produktion geltenden Umweltstandards. Bei der Herstellung der Siliziumblöcke, aus denen die Moduloberflachen geschnitten werden, kommen diverse Chemikalien zum Einsatz, die in geschlossenen Stoffkreisläufen gehalten oder geordnet entsorgt werden müssen. Dies spricht aus unserer Sicht dafür, bei der Auswahl der Module auf deren Herkunft zu achten.
2) Wechselrichter
Der Wechselrichter wandelt den von den PV-Modulen produzierten Gleichstrom in den üblichen Haushaltsstrom (220V, 50Hz Wechselstrom) um. Aus unserer Sicht ist diese Komponente in der Produktion und im Recycling unkritisch, da lang eingeführte Standardtechnologien (Transformatoren, Wechselrichter) zum Einsatz kommen.
3) Speicher
Wesentlich spannender ist die Frage der Stromspeicherung. PV-Anlagen erzeugen Strom naturgemäß, wenn die Sonne scheint. Das deckt sich bekanntlich nicht immer mit dem Zeitpunkt, wenn er gebraucht wird. Zur besseren Nutzbarkeit des PV-Stroms werden daher immer häufiger Speicher eingesetzt. Dafür kommen grundsätzlich eine Vielzahl von Speichertechnologien in Frage. Üblich und Stand der Technik sind allerdings solche auf Basis von Lithium als Elektrolyt. Hier gibt es eine interessante Verbindung zur Diskussion über die Umweltbilanz von Elektroautos, deren Batterien ja immer wieder als mobile Speicher für das Stromnetz ins Spiel gebracht werden.
Um diesen Aspekt soll es hier aber nicht gehen, sondern um die Frage der Ökobilanz unserer Speichertechnologien. Denn für die Speicher wird massenhaft Lithium im Tagebau gewonnen, mit erheblichen Folgen für die Umwelt in den Produktionsländern. Zudem benötigen die Speicher bislang sogenannte „seltene Erden“, deren Gewinnung häufig unter schlechten sozialen Standards erfolgt. Angeprangert wird zum Beispiel die weit verbreitete Kinderarbeit bei der Förderung von Kobalt.
Hier erhöhte Transparenz zu schaffen, ist unbedingt sinnvoll und auch Gegenstand unseres Nachhaltigkeitskonzeptes. Perspektivisch werden sich diese Probleme aus mehreren Gründen entschärfen:
Zum einen ist künftig mit einem vermehrten Einsatz von gebrauchten Batterien aus Elektrofahrzeugen im Rahmen eines „second life“-Ansatzes zu rechnen. Dies dürfte die Ökobilanz deutlich verbessern.
Vor allem aber wird intensiv an alternativen Speichertechnologien geforscht, die keine oder deutlich weniger kritische Materialien benötigen. Seit einigen Jahren „brummt“ der Markt vor Innovationen. Der Einsatz von Kobalt ist bereits stark rückläufig. Die aktuell auf dem Weg zum Standard befindlichen Lithium-Eisenphosphat-Batterien brauchen weniger Lithium und verzichten auf Kobalt.
Für 2023 kündigte der weltgrößte Batteriehersteller CATL die Serienfertigung einer Batterie auf Natrium-Basis an, die vollständig ohne Lithium auskommen soll. Andere Beispiele sind die Redox-Flow-Technologie, auch Flüssigbatterie genannt, und die für 2025 erwarteten Feststoffbatterien auf metallischer oder keramischer Basis.
Ein klares Ja zur Photovoltaik
Für den Schutz von Umwelt und Klima und den Erhalt unserer Zivilisation müssen wir uns unbedingt von fossilen Brennstoffen lösen. Photovoltaik ist hierfür ein wichtiger Baustein. Potenzielle Probleme in den Kategorien Umwelt und Soziales können am ehesten durch Fertigung unter entsprechenden Standards sichergestellt werden. Auch unter diesem Aspekt ist es höchst bedauerlich, dass die Fertigung in Europa erst wieder aufgebaut werden muss!
Die Technologien, die derzeit noch den Status Quo bilden, sind aber keinesfalls weniger belastend: Fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Erdöl stehen für immense Umweltlasten bei Förderung und Transport. Auch die lokalen Auswirkungen sind erheblich, zum Beispiel durch Feinstaub, Quecksilber und Arsen. Eine Studie von 2016 bezifferte die resultierenden Todesfälle in der EU mit 23.000. Weltweit wird aufgrund differierender Umweltstandards mit mehreren Millionen Todesfällen gerechnet. Atomkraft als weitere oft genannte Alternative zu den Fossilen haben wir an anderer Stelle bereits intensiv besprochen.
Mein Fazit: Natürlich liefert Photovoltaik keinen sauberen Strom zum Nulltarif. Aber unter Einbeziehung aller wichtigen ökologischen und sozialen Kosten lässt sich klar festhalten: Beim Solarstrom gibt es viel mehr Licht als Schatten.
Andreas Stehr